Marketingtrends 2022

Die Rückkehr der Experten

Teil 1

Auftakt einer dreiteiligen Gesprächsreihe

Die Corona-Pandemie hat die gesamte Wirtschaft auf den Kopf gestellt und die Digitalisierung beschleunigt. Dabei stellt sich die Frage, ob Unternehmen in puncto Marketing auf die aktuellen Marktentwicklungen vorbereitet sind. Zum Auftakt einer dreiteiligen Gesprächsreihe tauschten sich die Marketingexperten Christoph Teller, Wolfgang Erlebach und Ralph Hofmann darüber aus. Das gemeinsame Gespräch war von Markttrends, der Frage nach der mittelfristigen Zukunft des Konsumentenverhaltens und den Schlüssen, die Unternehmen daraus ziehen können, geprägt.

Unser CEO Wolfang Erlebach traf sich mit Prof. Dr. Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität (JKU) und Ralph Hofmann, Director Marketing & Sales von Österreichs bekanntester Textilmarke Palmers, zum diesjährigen Zukunftsgespräch. Erfahren Sie, warum Experten ein Comeback feiern und wie Technologie eine Schlüsselrolle dabei spielen könnte, die sich ständig ändernden Marktbedingungen zu meisten.

v.l.n.r.: Ralph Hofmann, Director Marketing & Sales Palmers, Wolfgang Erlebach, CEO Premedia und Prof. Dr. Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der JKU

Fünf Trends auf europäischer Ebene

Teller: Eine aktuelle GfK-Studie, die am ECR Tag 2021 (jährliche Konsumgütermesse) in Wien vorgetragen wurde, liefert tiefe Einblicke in die Fast- and Consumer Goods-Branche. Wenn jemand am besten über die aktuelle Entwicklung informiert ist, dann die Key Player dieser Industrie. Sie ist am stärksten mit unserem täglichen Leben verflochten. Das Institut identifizierte fünf Trends auf europäischer Ebene.
Erstens, das Streben nach Gesundheit. Zweitens, die Budgetierung, das heißt die Wertorientierung, wobei es nicht nur um den günstigsten Preis geht, sondern darum, was der Verbraucher für sein Geld bekommt.
Drittens, der Wunsch nach Sinnhaftigkeit und Identifikation mit Marken, sprich: Schafft das Unternehmen einen Mehrwert für den Verbraucher, wenn er die Marke kauft?
Viertens, die Findability, die Erreichbarkeit und Auffindbarkeit von Unternehmen und ihren Produkten.
Der fünfte und letzte Trend ist der Stellenwert der eigenen vier Wände als Lebensmittelpunkt. Auf den ersten Blick ist das nichts Neues. Bei näherer Betrachtung wird offensichtlich, dass die Pandemie die bestehenden Trends jedoch sehr stark beschleunigt hat. Einige Sektoren profitieren davon stärker als andere.

Begleitend dazu führen wir im Auftrag der Wirtschaftskammer repräsentative Studien aus österreichischer Sicht durch. Wir untersuchen in einer aktuellen Studie im ersten Teil „Return to the Experts“ die „Servitisierung“ – sprich die Dienstleistungsgesellschaft, in der das Produkt in den Hintergrund und die Dienstleistung in den Vordergrund rückt. Sie zeigt, dass einer der internationalen Trends, der auch in Österreich zu beobachten ist, die Rückkehr zur H2H-Interaktion (Human to Human) ist, bei der die Beratung durch Experten wieder an Bedeutung gewinnt.

Zentralisierte Systeme, modulare Abläufe und gesteuerte Prozesse

Hofmann: Dem kann ich zu 100 Prozent zustimmen. Was wir beobachten, ist, dass der Kunde auch wieder näher an uns herankommen will. Er möchte sich aktiv mit der Marke auseinandersetzen. Vor allem aber suchen unsere Kunden zunehmend den Kontakt zu unseren Expertinnen in unseren Filialen – worauf wir sehr stolz sind. Wenn Mitarbeiter im persönlichen Kundenkontakt diese Fach-Kompetenz vorweisen, so wie unsere Verkäuferinnen und Verkäufer es können, dann wird es von Kunden honoriert. All die erwähnten Faktoren waren schon immer wichtig. Es hat sich nichts daran geändert, dass wir die Bedürfnisse der Kunden befriedigen müssen. Erschwerend kommt im Moment hinzu, dass der freie Markt – durch Lieferschwierigkeiten und Lockdowns – nicht funktioniert. Das bringt Herausforderungen für unser Unternehmen, aber auch für andere mit sich. Wenn man keine Ware bekommt, macht man keinen Umsatz. Das ist das älteste Gesetz der Welt. Wenn die Geschäfte geschlossen sind, macht man ebenso keine Umsätze, außer – und das ist zum Glück bei uns der Fall – man ist auch online stark aufgestellt.

„Indem wir unsere digitalen und klassischen Kanäle miteinander verknüpfen, das Wissen unserer Expertinnen virtuell abbilden, kombinieren wir das Beste aus beiden Welten und bieten unseren Kunden einen echten Mehrwert.“

Ralph Hofmann

Director Marketing & Sales
Palmers

„Indem wir unsere digitalen und klassischen Kanäle miteinander verknüpfen, das Wissen unserer Expertinnen virtuell abbilden, kombinieren wir das Beste aus beiden Welten und bieten unseren Kunden einen echten Mehrwert.“

Ralph Hofmann

Director Marketing & Sales
Palmers

Erlebach: Das beobachten wir auch! Die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen machen es vielen Unternehmen zunehmend schwerer, Marketingmaßnahmen zu planen und umzusetzen. Klassische Abläufe und Methoden, wie beispielsweise das isolierte Arbeiten in unterschiedlichen Abteilungen, geraten aufgrund ihrer mangelnden Effizienz und Inflexibilität in Zeiten zunehmender Digitalisierung ins Hintertreffen. Systeme dürfen nicht mehr fragmentiert und abteilungsbezogen, sondern müssen zentralisiert sein, Arbeitsabläufe nicht mehr linear, sondern modular und statt „Business-as-usual“ sind in Zukunft Agilität und Reaktionsschnelligkeit gefragt. Wenn alle Beteiligten auf dieselben Informationen zugreifen, werden manuelle, zeitaufwändige Tätigkeiten und Abstimmungen reduziert und wir können Fehlerquellen durch intelligente Automatisierung beseitigen.  Workflow-gestützte, zentral gesteuerte Prozesse steigern die Effizienz im Marketing  erheblich und verschaffen allen Beteiligten wieder Zeit für relevantere Aufgaben.

Hofmann: Ich kann nur schildern, welchen Weg wir gewählt haben. Viele Palmers-Verkäuferinnen kennen unsere Kunden persönlich. Das ist das Schönste überhaupt! Wir wollen aber auch technologisch so aufgestellt sein, dass wir dieses persönliche Einkaufserlebnis auch in Zukunft bestmöglich anbieten können – sowohl physisch als auch online. Indem wir unsere digitalen und klassischen Kanäle miteinander verknüpfen, das Wissen unserer Expertinnen virtuell abbilden, kombinieren wir das Beste aus beiden Welten und bieten unseren Kunden einen echten Mehrwert.

Erlebach: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie gezielter Technologieeinsatz das Einkaufserlebnis verbessern kann. In Zukunft wird es für Unternehmen unerlässlich sein, proaktiv auf die individuellen Kundenbedürfnisse und Produktwünsche einzugehen. Indem man Omnichannel-Contentmanagement-Lösungen mit Big Data und künstlicher Intelligenz kombiniert, sind Einzelhändler beispielsweise in der Lage, Kundenwünsche und -absichten frühzeitig zu erkennen. Dies ermöglicht Unternehmen das richtige Produkt am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und zum richtigen Preis anzubieten, was die Performance und somit die Kundenzufriedenheit deutlich erhöht. Die Technologien dafür sind schon da! Unternehmen müssen nur mutig handeln und den Prozess der digitalen Transformation gezielt vorantreiben, so wie wir es bereits jetzt für unsere Kunden tun.

Der Marketer von morgen muss eine seltene Spezies sein, die Big Data verstehen und umsetzen kann und zugleich Geschäftsfrau/-mann und Marketer ist.

Prof. Dr. Christoph Teller

Vorstand des Instituts für Handel,
Absatz und Marketing
Johannes Kepler Universität (JKU)

Der Marketer von morgen muss eine seltene Spezies sein, die Big Data verstehen und umsetzen kann und zugleich Geschäftsfrau/-mann und Marketer ist.

Prof. Dr. Christoph Teller

Vorstand des Instituts für Handel,
Absatz und Marketing
Johannes Kepler Universität (JKU)

Teller: Ja, genau. Unternehmen streben danach, das Idealbild, beispielsweise die Expertise und die Raffinesse eines Fachhändlers von früher in großem Stil zu reproduzieren. Dazu brauchen sie die entsprechenden Technologien und einen neuen Typus von Marketingexperten. Der typische Marketing-Absolvent verfügt heute noch nicht über ausreichende Fähigkeiten in dafür relevanten Bereichen – zum Beispiel Big Data. Er lernt ein wenig über Statistik, aber nicht, wie man zum Beispiel mit komplexen oder wenig strukturierten Datenmengen umgeht, wie man sie auswertet. Der Marketer von morgen muss eine seltene Spezies sein, die Big Data verstehen und umsetzen kann und zugleich Geschäftsfrau/-mann und Marketer ist.

Qualität und Kompetenz bleibt bestehen – auch in Krisenzeiten

Trends kommen und gehen, Qualität und Kompetenz bleibt bestehen – auch in Krisenzeiten. Das scheint das Fazit des ersten Teils unserer Serie zu sein. Doch die sich ständig verändernden Marktbedingungen stellen viele Unternehmen vor Herausforderungen, die mit Expertise allein nicht zu bewältigen sind. Vielmehr ist ein Kulturwandel innerhalb der Unternehmen notwendig: Klassische lineare Arbeitsprozesse weichen modularen Abläufen und statt „Business-as-usual“ sind in Zukunft Agilität und Reaktionsfähigkeit gefragt.

In den nächsten Folgen unserer dreiteiligen Serie sprechen Wolfgang Erlebach, Ralph Hofmann und Christoph Teller über die vorherrschende Lieferkettenproblematik und welchen Einfluss dies auf die Regionalität und Markenidentifikation der Kunden hat. Außerdem zeigen sie auf, warum sich Unternehmen und insbesondere Marketer wieder auf die 4 P’s (Price, Product, Place und Promotion) besinnen sollten und wie Technologie dabei eine Schlüsselrolle spielen kann.

Digitalisierung weiterdenken?
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