CEO Wolfgang Erlebach im Interview

„Ob Hausbau oder Digitalisierung – begonnen wird beim Fundament!“

[Digital] business as usual

Wolfgang, wir launchen das Magazin „[Digital] business as usual“, das ab jetzt regelmäßig erscheint. Warum ist „digital business“ für dich und auch für uns bei Premedia so selbstverständlich?

Die letzten 20 Jahre hat man immer wieder von Digitalisierung und von digitaler Transformation gesprochen. Heute gibt es im Marketing keinen Bereich mehr, der nicht digital ist. Natürlich gibt es Print oder andere klassische Aktivitäten, aber es hat alles eine digitale DNA, eine digitale Planung, eine digitale KPI Messung und digitale Prozesse. Meiner Meinung nach muss man heute nicht mehr von „digital business“ reden, das gesamte Business ist längst schon digital ist. Darum ist die Klammer im Magazin-Titel so wichtig. Charmant und ironisch zugleich.

Du hast schon vor einigen Jahren die Aussage getätigt „All businesses will be digital businesses“. Was macht dich da so sicher?

Wir sehen das bei unseren Kunden. Viele bieten wirklich tolle und innovative Produkte, die in riesigen Maschinenhallen produziert werden Und das wird so bleiben – Produkte werden produziert werden. Aber das Prinzip und das Denken wird sich ändern – es entsteht eine neue Welt. Denn es wird keine Straßenwalze verkauft, sondern der Laufmeter asphaltierter Straße. Also ein Pay-Per-Use Prinzip. Hinter den Produkten stehen andere Prozesse und Unternehmen müssen sich von der Produktion bis hin zum Vertrieb auf diese neuen Prozesse einstellen. Und der gemeinsame Nenner in dieser neuen Welt wird sein, dass alles maximal digital verknüpft ist. So entstehen neue End-to-End Lösungen mit entsprechendem Business-Value für die Kunden. Wir merken bei unseren Gesprächen mit Unternehmen, dass das viele noch nicht so radikal wahrnehmen, wie wir. Doch wir sehen bei unseren Kunden, dass dieses Um- und Neudenken der Weg ist, um erfolgreich zu bleiben.

Es geht also nicht mehr um das Produkt selbst, sondern um das Ergebnis?

Genau! Man verkauft nicht mehr das Produkt, sondern die Lösung und den Nutzen, der dadurch generiert wird. Und das so transparent und komfortabel wie möglich. Dann haben alle was davon.
Das ist diese andere Welt, von der ich immer spreche.

Kran

End-to-End, also vom Einkauf über die Nutzung bis zum Servicekonzept, inkl. Ersatzteile und Instandhaltung – der gesamte Prozess wird als digitaler Gesamtservice neu gedacht.
Es gibt hier am Markt einige Gamechanger und auch wir sehen uns da als aktiven Treiber und Enabler. Das heißt nicht, dass jetzt das Physische, das Analoge keine Bedeutung mehr hat. Ganz im Gegenteil, es hat eine hohe Relevanz. Aber es muss digital mitgedacht und konzipiert werden.

Österreichs im Digitalisierungskontext

Wenn wir den Blick auf die österreichischen Unternehmen richten, wie sieht die Lage hier aus? Sind wir in Österreich betreffend Digitalisierung Vorreiter oder eher vorsichtig?

Österreich sehe ich aktuell ganz klar leider nicht vorne dabei.
Meistens ist es so, dass in Ländern, die heute noch erfolgreich sind, denen es wirtschaftlich und gesellschaftlich gut geht, nicht der große Aufbruch oder Veränderungsdruck herrscht. Auch die Bereitschaft Risiko einzugehen und zu scheitern ist in Österreich wenig ausgeprägt.
Wenn wir überlegen: Wann passieren denn die wirklich großen Veränderungen? Auch im Privaten?
Immer dann, wenn es Schmerzen gibt, wenn es richtige Schwierigkeiten gibt. Dann ist man meist bereit, sehr schnell Dinge zu verändern. Gerade Covid hat das ganz stark gezeigt. Dinge wie Homeoffice, digitale Kollaboration usw., wurden plötzlich umgesetzt und gelebt. Das hätte wahrscheinlich 5 Jahre oder noch länger gedauert, wenn Covid nicht gekommen wäre. Und sogar dann wäre es wahrscheinlich nicht mal soweit gekommen.

Mit Fokus auf die Marketingabteilungen und die CMOs in den österreichischen Unternehmen – Wie groß schätzt du da den Druck zu Handeln ein?

Ich merke, dass viele Unternehmen Schmerzen spüren. Dass es im Marketing nicht mehr so geht, wie es mal gegangen ist. Dass gelernte Konzepte aus den letzten 10 Jahren nicht mehr funktionieren.
Es wird noch vielfach nach dem Prinzip „More of the Same” gehandelt. Und dann plötzlich kommt eine neue Produktlinie, eine Marke, ein neues Land, ein neuer Kanal oder eine Sprache dazu und viele stellen fest, das funktioniert so nicht mehr. Da kommen gerade die Großen ins Schwitzen. Denn dann schafft man es auch mit mehr Personal nicht mehr, weil alleine die Koordination zwischen den Mitarbeitern und den internen und externen Partnern viel zu aufwendig und zu teuer wird. Die Schlüssel sind hier ganz klar eine Prozesskultur im Marketing, der richtige Technologie-Einsatz und damit ein hoher Grad an Automatisierung. Damit kann man Geschwindigkeit, Transparenz und Struktur generieren.
Leider sträubt sich so mancher Marketer noch, sein Budget in Software-Lösungen für Automatisierung zu investieren, die nicht sofort nach außen Sichtbarkeit erzeugen, wie es beispielsweise eine neue Website oder eine Email-Automation-Lösung tun. Doch auch bei solchen Backend-Projekten ist ein rascher Return on Investment möglich.

Und wenn der Mut und das Wollen doch da ist – was ist für dich dann der wichtigste Punkt bei der digitalen Transformation für ein Unternehmen?

Am wichtigsten finde ich, dass die Digitalisierungs-Strategie in einem Konzern gut diffundiert. Also dass die Veränderung wirklich organisch wird und sich im Mindset der Mitarbeiter etabliert. Es geht nicht darum, ein bisschen digitaler zu sein, weil man ein bisschen mehr Videokonferenzen macht, ein paar neue Tools nützt und ein paar Prozesse digitalisiert. Es muss schon in eine substantielle Transformation hineingehen. Und da tun wir uns in Österreich nicht so leicht.

Wolfgang Erlebach im Gespräch

Im Marketing ist es viel, viel mehr als eine coole neue Website zu machen oder eine coole Neukunden-Kampagne. Es geht viel stärker um den Endkunden, seinen Nutzen, seine Erwartungen und den Mehrwert den er spüren soll. Letztendlich ist es meist ein 24h 360 Grad-Service mit vielen Interaktions-Elementen mit dem Kunden um mehr zu erfahren und bessere Produkte mit einem besseren Service abzuliefern.
Um die Frage „Wie können wir unseren Kunden das Leben noch leichter machen?“ sollten sich viele Aktivitäten drehen. Dabei sehe ich Österreich im globalen Vergleich noch viel Luft nach oben.

Also gibt es auch im Marketing noch viel Handlungsbedarf, oder?

Absolut. Doch gerade in Österreich ist die Haltung dazu oft: „Wir kaufen eine Technologie, die auch die anderen Großen haben. Die kann ruhig überdimensioniert und teuer sein, aber danach haben wir das Thema auch erledigt.“ Doch das ist der falsche Ansatz, denn die Transformation der Organisation, das Mindset, die Skills der Mitarbeiter bis hin zu neuen Prozessen werden nicht für das Unternehmen und dessen Kunden neu gedacht. Es muss anders gedacht werden, raus aus den alten Strukturen. Wir gehen unsere Projekte ganzheitlich an und sehen: es funktioniert. Organisation, Technologie und Prozesse werden neu aufgesetzt. Da liegt die Zukunft.
Raus aus den alten Silos wo alle Kanäle getrennt voneinander organisiert waren, die Onliner, die Offliner, die eCommerce-Guys, die meist getrennt vom normalen Business agieren, und vielen mehr. Wir sehen am Markt leider auch einige Projekte, die scheitern, rückabgewickelt werden, wo viel Geld vernichtet wird und viel Porzellan zerschlagen wird weil man die Projekte mit zu wenig organisationaler Vorarbeit und Bodenhaftung angegangen ist.

Ich bin überzeugt, dass wir es durch Automatisierung schaffen, im Marketing wieder Ressourcen frei zu schaufeln. Dann können wir wieder die eigentlichen Inhalte, den Kern vom Marketing – die Experience des Kunden zu gestalten – vorantreiben.

Mag. Wolfgang Erlebach

CEO
Premedia GmbH

Ich bin überzeugt, dass wir es durch Automatisierung schaffen, im Marketing wieder Ressourcen frei zu schaufeln. Dann können wir wieder die eigentlichen Inhalte, den Kern vom Marketing – die Experience des Kunden zu gestalten – vorantreiben.

Mag. Wolfgang Erlebach

CEO
Premedia GmbH

Automatisierung im Marketing

Man liest auch viel über Automatisierung im Marketing. Was ist deine Einschätzung – welchen großen Benefit bringt Automatisierung im Marketing?

Das ist unser großes Thema. Hier geht es klar um den Faktor Zeit. Man kann heute schon viele Prozesse nicht oder kaum mehr manuell bewältigen. Oft sind es nur stupide Copy-Paste-Aufgaben, Kontrollen, Abstimmungen, Freigaben über lose E-Mails zwischen Agentur und Marketing-Abteilung mit WeTransfer-Links und Telefonaten.  Wir wollen die Marketeers wieder in die Lage bringen, ihre Kernkompetenzen zu leben. Und zwar den Kunden gut zu kennen, Kundenwünsche verstehen und zu wissen, was weitere Sehnsüchte sind. Ich sage immer: „Der Marketer ist der Anwalt des Kunden.“ Auch im Unternehmen – der Marketer ist der, der den Kunden des Unternehmens am besten verstehen sollte.
Was heißt das konkret?
Ich bin überzeugt, dass wir es durch Automatisierung schaffen, im Marketing wieder Ressourcen frei zu schaufeln. Dann können wir wieder die eigentlichen Inhalte, den Kern vom Marketing – die Experience des Kunden zu gestalten – vorantreiben.

Doch auch Automatisierung muss gleich wie die Digitalisierung weitergedacht werden und darf nicht nur in der Marketingabteilung gedacht und gelebt werden, oder?

Absolut, denn wenn man generell Automatisierung im Marketing oder die Weiterentwicklung im Marketing sieht, dann ist das ähnlich wie bei der IT: Ein Mega-Thema. Marketing darf nicht eine Insel sein, zu der im Unternehmen ein paar Schnittstellen hinlaufen, wenn es um Kommunikation geht. Marketing ist eine substantielle Disziplin, die in der Gesamtorganisation stark integriert gehört, genauso wie die IT.
IT ist schon heute oftmals kein Thema mehr von einer Abteilung, sondern da beginnen viele Unternehmen die Organisationen umzubauen, so dass die IT Mitarbeiter in Business Units sitzen und dort mit ihrem Background mitarbeiten. Ähnlich sehe ich das auch beim Marketing. Es geht um das Kundendesign und die Kommunikation: Wie erzähle ich die Geschichte, wie mache ich Touchpoints, die die Kunden begeistern.

Du kannst gemeinsam mit dem Team bei Premedia schon auf viele Kundenprojekte zurückblicken. Wie erleben uns unsere Kunden und was unterscheidet uns von anderen am Markt?

Wir bekommen super Feedback. Unsere Stärke ist es, tief auf unsere Kunden und ihre Herausforderungen einzugehen. Wir haben Kundenbeziehungen vielfach über Jahrzehnte, wie zum Beispiel die letzten 31 Jahre mit XXXLutz.

Baustelle Betonmauern

Das ist es auch, was wir von uns selbst erwarten: Wir wollen unseren Kunden ein nachhaltiger, starker, innovativer Partner mit viel Umsetzungskompetenz sein.
Da wir Kunden über diesen sehr langen Zeitraum sehr gut kennen lernen, wissen wir auch über ihre Herausforderungen Bescheid und zerbrechen uns schon den Kopf über die weiteren Entwicklungen. Das macht den Erfolg aus.

Gap zwischen Vision und Realität

Lass uns nun zum Abschluss kommen. Wir haben viel über Potentiale und die nötigen Grundlagen geredet. Unsere letzte Frage: Was war für dich in den letzten Wochen im Bereich Digitalisierung eine neue Erkenntnis, die dich überrascht hat?

Da fällt mir eine Geschichte ein, die mich nachhaltig verwundert hat. Da und dort höre ich von extrem „technologie- und datengetrieben super innovativen GTX- 3000-KI-Projekten“. Da bin ich immer interessiert und vor ein paar Wochen habe ich mich erkundigt, wie das denn gelaufen ist. Und dann hörte ich, wo das Projekt heute steht und womit die beteiligten Personen im Projekt zu kämpfen haben. Und ich bin abermals erstaunt, wie groß der Gap ist, zwischen der Vision, die kommuniziert wurde und dem was aktuell, heute Mitarbeiter beschäftigt, die das letztendlich umsetzen.
Oft wird so getan, als wäre Digitalisierung so easy. Da jagt das eine coole Projekt das Nächste. Man ist quasi fast getrieben, von dem einem zum anderen zu hecheln. Und wenn man dann draufschaut, was substantiell weitergeht, sind die Entwicklungsschritte sehr überschaubar.

Was ist deine Erkenntnis draus?

Meine Erkenntnis daraus ist ganz klar und das empfehle ich auch allen unseren Kunden. Ich benutze hier gern die Metapher eines Hausbaus. Zuerst muss ich wissen, was ich bauen will. Ist es eine Holzhütte oder ein 100-stöckiger Wolkenkratzer? Und dann muss ich zuallererst mit dem Fundament anfangen. Und wenn ich weiß, der Wolkenkratzer hat 100 Stockwerke, dann bau ich das Fundament anders, als wenn es eine Holzhütte wird.
Ich will nicht sagen „Baut einfach nur die Holzhütte!“. Ganz im Gegenteil! Bitte nicht aufgrund von zu viel Respekt nicht anfangen oder eben nur eine Holzhütte bauen. Sondern mit einer gesunden Portion Realismus überlegen, wie das Fundament aussehen muss, um den Wolkenkratzer stabil und nachhaltig zu bauen. Auch die Umsetzung danach darf nicht wasserfallartig erfolgen und erst in 12 Monaten wird wieder draufgeschaut. Man muss hoch agil agieren.
Das ist auch für uns bei Premedia ein riesen Learning aus Projekten: Agilität muss nicht nur im Softwareentwicklungsbereich, sondern in allen Projekten und in weiterer Folge im ganzen Unternehmen etabliert werden.
Ich glaub, es ist wichtig, sich die Sterne hoch aufzuhängen und diese Ziele zu verfolgen. Visionen zu haben und diese auch Realität werden lassen. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass es Fundamente braucht, damit man so etwas überhaupt erreichen kann.
Unser Erfolgsrezept: Täglich Schritte gehen, beharrlich und konsequent dran bleiben und gemeinsam mit den Kunden immer besser werden.

Danke Wolfgang, für dieses informative Gespräch!

Digitalisierung weiterdenken?
[Digital] business as usual.

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